von Redaktion am
23.May.2001
Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle
Nr. 42/2001
Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs
zu Domain-Namen
Der unter anderem für das Wettbewerbs- und Markenrecht zuständige I.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat gestern in zwei Grundsatzurteilen
Streitfragen über die Vergabe und Verwendung von Domain-Namen entschieden.
I.
Maßstäbe für Prüfungspflicht der DENIC festgelegt
Entscheidung im Streit um "ambiente.de"
In dem ersten Fall hatte sich die Messe Frankfurt AG, die unter der Bezeichnung
"Ambiente" eine Messe für Tischkultur, Küche, Wohn- und
Lichtkonzepte sowie Geschenkideen veranstaltet und Inhaberin der Marke
"Messe Frankfurt Ambiente" ist, dagegen gewandt, daß sich ein
Privatmann den Domain-Namen "ambiente.de" hatte registrieren lassen.
Dieser Dritte hatte sich zwar bereit erklärt, diesen Domain-Namen nicht mehr zu
benutzen, war aber zu einer Löschung der Registrierung nicht bereit. Darauf
verklagte die Messe Frankfurt die DENIC, die Genossenschaft von
Internet-Providern, von der die mit ".de" endenden Domain-Namen
vergeben werden. Ziel der Klage war es, die Registrierung von "ambiente.de"
aufzuheben und diese Bezeichnung für die Klägerin zu registrieren. Zwar sei
nichts dagegen einzuwenden, daß DENIC den Domain-Namen "ambiente.de"
registriert habe. Nachdem die DENIC inzwischen aber von den bestehenden älteren
Rechten an der Bezeichnung "ambiente" wisse, sei sie verpflichtet, die
ursprüngliche Registrierung aufzuheben und den Domain-Namen nunmehr für die Klägerin
zu registrieren.
Das Landgericht Frankfurt a.M. hatte der Klage stattgegeben. Das
Oberlandesgericht Frankfurt hatte dieses Urteil aufgehoben und die Klage
abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung bestätigt und
klargestellt, daß die DENIC, die die Aufgabe der Registrierung und Verwaltung
von vielen Millionen Domain-Namen mit verhältnismäßig geringem Aufwand
erledigt, grundsätzlich keine Verpflichtung trifft, bei der Registrierung zu prüfen,
ob an der einzutragenden Bezeichnung Rechte Dritter bestehen. Aber auch wenn sie
auf ein angeblich besseres Recht hingewiesen wird, kann die DENIC – so der BGH
– den Anspruchsteller im allgemeinen auf den Inhaber des beanstandeten
Domain-Namens verweisen, mit dem – notfalls gerichtlich – zu klären ist,
wer die besseren Rechte an der Bezeichnung hat. Nur wenn der Rechtsverstoß
offenkundig und für die DENIC ohne weiteres festzustellen sei, müsse sie die
beanstandete Registrierung ohne weiteres aufheben. In anderen Fällen brauche
sie erst tätig zu werden, wenn ein rechtskräftiges Urteil oder eine
entsprechende Vereinbarung mit dem Inhaber der Registrierung die bessere
Rechtsposition des Anspruchstellers bestätigt.
Im konkreten Fall war zwischen dem Inhaber der Registrierung "ambiente.de"
und der Messe Frankfurt AG streitig, ob aufgrund der Erklärung des Inhabers von
"ambiente.de", diesen Namen nicht mehr zu benutzen, ein entsprechender
Vertrag zustande gekommen war. Ob der Messe Frankfurt AG bessere Rechte
zustanden, war – so der BGH – für die DENIC nicht offenkundig.
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. Mai 2001 – I ZR 251/99 –
II.
Gattungsbezeichnungen als Domain-Namen zugelassen
Entscheidung im Streit um "Mitwohnzentrale.de"
Im zweiten Fall hatte sich der beklagte Verband, in dem unter anderem 25
deutsche Mitwohnzentralen organisiert sind, den Domain-Namen "Mitwohnzentrale.de"
registrieren lassen. Auf der Homepage sind die Mitglieder nach Städten geordnet
mit Telefon- und Faxnummern sowie mit E-Mail-Adressen aufgeführt. Dagegen
wandte sich ein konkurrierender Verband, in dem 40 Mitwohnzentralen organisiert
sind und der im Internet unter "HomeCompany.de" auftritt.
Gattungsbegriffe und Branchenbezeichnungen – so dieser klagende Verband –
seien im Internet freizuhalten. Der Begriff "Mitwohnzentrale" habe
sich als übliche Branchenbezeichnung für die Kurzzeitvermietung von Wohnraum
durchgesetzt und dürfe nicht von einem Wettbewerber monopolisiert werden. Außerdem
sei die Bezeichnung "Mitwohnzentrale.de" irreführend, weil sie den
Eindruck erwecke, man finde dort das Angebot sämtlicher Mitwohnzentralen.
Vor dem Landgericht und Oberlandesgericht Hamburg hatte der Kläger Erfolg. Der
beklagte Verband wurde verurteilt, die Verwendung des Domain-Namens "Mitwohnzentrale.de"
ohne unterscheidende Zusätze zu unterlassen. Das OLG Hamburg stellte sich auf
den Standpunkt, die Verwendung von Gattungsbezeichnungen als Domain-Namen sei
unlauter und daher generell nach § 1 UWG verboten. Der Beklagte fange mit
seinem Domain-Namen den Teil der Interessenten ab, die durch Eingabe eines
Gattungsbegriffs als Internet-Adresse nach Angeboten suchten. Diese Kunden
gelangten zufällig auf die Homepage der Beklagten mit der Folge, daß nach
anderen Wettbewerbern aus Bequemlichkeit nicht mehr gesucht werde und ein
Leistungsvergleich unterbleibe. Dies führe zu einer erheblichen Kanalisierung
der Kundenströme in Richtung auf die Homepage der Beklagten und könne eine
nachhaltige Beeinträchtigung des Wettbewerbs zur Folge haben.
Der Bundesgerichtshof ist dem nicht gefolgt. Vielmehr hat er mit seiner
Entscheidung die verbreitete Übung, Gattungsbegriffe als Internet-Adresse zu
verwenden, als rechtmäßig anerkannt. Das beanstandete Verhalten paßt – so
der BGH – in keine der Fallgruppen, die die Rechtsprechung zur Konkretisierung
des Verbots von "Handlungen, die gegen die guten Sitten verstoßen" (§
1 UWG) entwickelt hat, und gibt auch keinen Anlaß zur Bildung einer neuen
Fallgruppe. Allein mit dem Argument einer Kanalisierung der Kundenströme lasse
sich eine Wettbewerbswidrigkeit nicht begründen. Ein Abfangen von Kunden sei
nur dann unlauter, wenn sich der Werbende gewissermaßen zwischen den
Mitbewerber und dessen Kunden stellt, um diesem eine Änderung des
Kaufentschlusses aufzudrängen. So verhalte es sich hier aber nicht. Denn mit
der Verwendung des Gattungsbegriffs habe der Beklagte nur einen sich bietenden
Vorteil genutzt, ohne dabei in unlauterer Weise auf bereits dem Mitbewerber
zuzurechnende Kunden einzuwirken. Das vom OLG Hamburg herangezogene Freihaltebedürfnis
– Gattungsbegriffe dürfen nicht als Marke eingetragen werden – sei hier
nicht berührt. Denn die Internetadresse des Beklagten führe anders als die
Marke nicht zu einem Ausschließlichkeitsrecht. Der Kläger und andere
Wettbewerber seien nicht gehindert, in ihrer Werbung oder in ihrem Namen den
Begriff "Mitwohnzentrale" zu verwenden. Schließlich liege –
abgesehen von einer möglichen Irreführung – auch keine unsachliche
Beeinflussung der Internet-Nutzer vor. Ein Verbraucher, der den Einsatz von
Suchmaschinen als lästig empfinde und statt dessen direkt einen Gattungsbegriff
als Internet-Adresse eingebe, sei sich im allgemeinen über die Nachteile dieser
Suchmethode, insbesondere über die Zufälligkeit des gefundenen Ergebnisses, im
klaren.
Der Bundesgerichtshof hat jedoch klargestellt, daß die Zulässigkeit der
Verwendung von beschreibenden Begriffen als Domain-Namen auch Grenzen habe. Zum
einen könne sie mißbräuchlich sein, wenn der Verwender nicht nur die
Gattungsbezeichnung unter einer Top-Level-Domain (hier ".de") nutzt,
sondern gleichzeitig andere Schreibweisen oder die Verwendung derselben
Bezeichnung unter anderen Top-Level-Domains blockiert. Zum anderen dürfe die
Verwendung von Gattungsbezeichnungen nicht irreführend sein. Dieser zweite
Gesichtspunkt führte hier dazu, daß die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen
wurde. Der Kläger hatte nämlich auch beanstandet, daß die Verbraucher durch
die Internet-Adresse des Beklagten irregeführt würden, weil der Eindruck
entstehe, es handele sich beim Beklagten um den einzigen oder doch um den maßgeblichen
Verband von Mitwohnzentralen. Das OLG muß nun diesem Vorwurf der unzutreffenden
Alleinstellungbehauptung nachgehen. Sollte es eine Irreführung bejahen, wäre
dem Beklagten zum Beispiel aufzugeben, "Mitwohnzentrale.de" nur zu
benutzen, wenn auf der Homepage darauf hingewiesen wird, daß es noch andere
Verbände von Mitwohnzentralen gibt.
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. Mai 2001 – I ZR 216/99 –
Karlsruhe, den 18. Mai 2001
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